SABZ
Selma
SILAS BURGI-ZENTNER IN DEN SCHAFFHAUSER NACHRICHTEN
Konzert
Selma in Sehnsucht eingehüllt:
Poesie, die berührt.
Martin Edlin
Vielleicht war es ein Deut zu viel an gedämpfter Gedächtnisfeier-Stimmung (etwa mit dem Anzünden und zum Schluss wieder Löschen der Kerzen auf einem Tischleuchter). Und die «Gruft» des Schaffhauser Haberhaus-Kellers trug das ihrige bei.
Dennoch wurde der Anlass auf der Haberhaus-Bühne:
Vertonte Gedichte von Selma Meerbaum–Eisinger
Samstagabend zu einer sehr lebendigen Begegnung mit jener deutsch- rumänischen jüdischen Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger, welche 1942 in einem Nazi-Arbeitslager ihr erst achtzehnjähriges Leben lassen musste:
dank einer überzeugenden Interpretation ihrer vertonten Gedichte.
Selma Meerbaums Werk besteht aus impressionistischer Liebes- und Naturlyrik, deren Vorbild bei Heinrich Heine, Rainer Maria Rilke oder Paul Verlaine zu suchen ist. Es wird geprägt von tiefer Melancholie, immer wieder durchsetzt von der sehn- süchtigen Hoffnung auf ein Leben, wie es der jungen Frau mit der Judenvernichtung vor Augen verwehrt blieb.
Der Basler Komponist David Klein hat ein Dutzend der insgesamt 57 Gedichte vertont. Diese Kompositionen wurden für Bariton, Klavier und Cello eingerichtet, ein wenig an den Stil eines Arvo Pärt erinnernd, wobei den Instrumenten eine gleichwertige Rolle wie der Stimme zugemessen wird:
Sie sind die musikalischen Träger des Emotionalen, das den Tiefgang des Wortes auslotet. Die Cellistin Gunta Abele und der Pianist Giovanni Fornasini lösten ihre Aufgabe hervorragend und trugen mit differenziertem Ausdruck dazu bei, dass die Grenze zur Rührseligkeit nicht überschritten wurde.
Silas Bürgi-Zentner, nicht nur der Bariton, sondern ebenso Spiritus rector dieser «musikalischen Rezitation lyrischer Werke», stellte sich, ob nun singend, rezitierend oder im Sprechgesang, mit zurückhaltenden stimmlichen Mitteln ganz in den Dienst der Gedichte, zwar dem Schmerzlichen ihres Inhalts manchmal auch dramatisch folgend, jedoch ohne larmoyante Sentimentalität. So vermochte der Titel des Abends «Selma in Sehnsucht eingehüllt» den gesetzten Anspruch zu erfüllen: Hommage an eine Dichterin, deren lyrisches Werk ein tragisch-erschütterndes Schicksal in düsterer Zeit unvergessen machen soll.